Aus Telman berichtet Michail Matrenin
Die Geschichte Russlands
setzt sich zusammen, ähnlich einem großen Mosaik, aus einmaligen Geschichten
großer und kleiner Besiedlungen. Die Geschichte des Ortes am Rand von Kolpino
reicht bis in die Zeit von Katharina der Großen zurück. Die Zarin erwog,
Ausländer für die Entwicklung der Landwirtschaft und der Industrie des
Russischen Imperiums anzusiedeln. Im Manifest von 1763 war festgelegt, dass den
Übersiedlern die Glaubensfreiheit gewährt wird, sie von Abgaben und Diensten
für einen Zeitraum von 10-30 Jahren befreit sind, ihnen zinslose Darlehen auf
10 Jahre gewährt werden und weitere Vergünstigungen. Man plante Kolonisten aus
verschiedenen Ländern zu holen, jedoch einige Staaten verweigerten diesen
„Kaderabfluss“, und so kamen im großen Maßstab nur Deutsche.
Sie siedelten
hauptsächlich an der Wolga. Ab 1765 war es jedoch 110 Familien gestattet, sich
in der Umgebung von St. Petersburg niederzulassen. Insbesondere am Ufer der
Ischora, nahe der Stadt Kolpino. Die untere Kolonie, bestehend aus 16 Höfen,
lag im Gebiet der heutigen Straße Anisimow. Die obere Kolonie aus 12 Höfen
siedelte im Gebiet der heutigen Ortschaft Telman (hierzu existieren sogar
Zahlenangaben von drei Autoren zur „Geschichte Kolpinos“).
Nach den Aufzeichnungen
des Jahres 1805 wohnten in beiden Kolonien 33 Familien (244 Bewohner), 1862
hatte die obere Kolonie bereits 308 Bewohner und in der unteren wohnten 401.
Die Deutschen bewahrten ihre Sprache, ihre Gebräuche und Elemente ihrer
Volkstracht. Sie waren hervorragende Gemüsebauern und sie versorgten Kolpino
und Petersburg mit Gemüse. Die Historiker beschreiben ein akkurates Aussehen der
deutschen Siedlungen, die „mit ihren Bauten die besten russischen Siedlungen
weit übertrafen und es gibt Häuser, die der Zierde der Kreisstadt dienen
können“.
Im Jahr 1915 reichten die
Kolonisten ein Gesuch für die Zuteilung von Boden ein, in dem sie schrieben,
dass ihre Vorfahren 1281 Dessjatinen Land besaßen, jetzt aber 57 von 126 Höfen
nur noch 30-56 Dessjatinen besäßen.
1920 begannen die
Kollektivierung und die Enteignung der Kulaken. Davon waren auch die deutschen
Siedlungen betroffen. Bald war auf deren Land eine Sowchose geschaffen worden,
die den Namen des deutschen Kommunisten Ernst Thälmann erhielt. Er wurde 1886
in Hamburg geboren und begann mit 14 Jahren zu arbeiten, ab 1922 war er
Mitglied des ZK der Kommunistischen Partei und stand ab 1924 an der Spitze der
deutschen KP. Im Folgejahr war er zum Parlamentarier im Reichstag gewählt
worden. Er leitete den kämpferischen Flügel der KPD – die Organisation Rot
Front. Er sagte, dass er den Sinn des Lebens im Kampf für die Sache der
Arbeiterklasse sieht. Auf Befehl Hitlers wurde er festgenommen und war 11 Jahre
in Einzelhaft. Es gab kein Gerichtsurteil gegen ihn. Auf die zahlreichen
Versuche der Faschisten, Thälmann zur Zusammenarbeit mit ihnen zu bewegen,
erhielten diese eine Absage. 1944 wurde er im Konzentrationslager Buchenwald
auf Befehl Hitlers und Himmlers erschossen.
Zu Ehren Ernst Thälmanns
wurden in der UdSSR zahlreiche Straßen, Stadtbezirke und Fabriken benannt,
ebenso einige Ortschaften. 1986 wurde für ihn in Moskau auf dem Thälmann-Platz,
an der Metrostation „Aeroport“ ein Denkmal eingeweiht.
Das Denkmal in der
Ortschaft Telman entstand auf Initiative ihres Bewohners, dem Leiter der
Baufirma 326, Dimitrij Tarasowitsch Martyntschik. Es sei daran erinnert, dass
vor einiger Zeit
das Kollektiv dieser
Baufirma die Erinnerungsstätte an den Großen Vaterländischen Krieg
generalüberholt hatte. Dieses Gedenkensemble wurde im Jahr 2008 neu
hergerichtet.
Bei der Einweihung des
Denkmals, das der Baumeister Bejschembek Turdaliew geschaffen hat, fand ein
kleines Meeting statt. Die Redner sprachen darüber, dass Thälmann ein großer
Sohn des deutschen Volkes ist, das der Welt Schriftsteller wie Goethe, Heine
und Schiller gab, Philosophen wie Kant und Hegel, Komponisten wie Bach und
Beethoven.
Und es ist völlig
logisch, dass das Denkmal dieses unbeugsamen Kommunisten und Antifaschisten
neben der Gedenkstätte für die Kämpfer gegen den Faschismus – die Kämpfer der
55. Armee, aufgestellt wurde. Unweit vom Denkmal verläuft die „Straße der
Verteidigung“, wo zum 65. Jahrestag des Sieges auf Initiative und mit
öffentlichen Mitteln der Stadt Kolpino der Erinnerungskomplex „Allee des
Ruhmes“ entworfen und geschaffen wurde.
Fotos: Michail Matrenin