Samstag, 12. November 2011

Unvergängliche internationale Solidarität

Im November 1936 war die Bevölkerung Madrids der Verzweiflung nahe. Die faschistischen Horden Francos, allen voran die marokkanischen Söldner, standen bereits am Stadtrand. Ihr Einmarsch würde das Leben tausender von Arbeitern, Gewerkschaftern und Republikanern kosten. Die Bedrohung kam aber auch aus der Luft durch die deutsche Legion Condor. Man erprobte zum ersten Mal Terrorangriffe gegen zivile Ziele und tötete wahllos auch Frauen und Kinder. Guernica wurde dann ein paar Monate später ihre Mordbubenpremiere. Einige dieser Naziflieger konnte man später in der westdeutschen Bundeswehr an führender Stelle wiederfinden.

Aber das Volk von Madrid hielt stand.

Am 7.11.1936 marschierten die ersten Bataillone der Internationalen Brigaden auf der Gran Via in Richtung Front am Stadtrand auf das Universitätsgelände. Allen voran das Bataillon „Edgar Andrè“, benannt nach dem Hamburger Hafenarbeiter und deutschen Arbeiterführer.
Unser Edgar war drei Tage vorher von den Nazis in Hamburg bestialisch hingerichtet worden, nachdem er mehr als drei Jahre selbst unter schlimmster Folter standhaft geblieben war.
Ihm zu Ehren erhielt das Bataillon den Namen „Edgar André“. Er ist damit für ewig und alle Zeiten mit dem Kampf um Madrid verbunden. Im gleichen Atemzug seien die Bataillone Commune de Paris und Dombrowski genannt. Sie alle wollten keine Helden sein, aber sie waren es doch!
75 Jahre mussten vergehen, ehe an Ort und Stelle in Madrid auf dem Kampfgelände der Universität eine Erinnerungsstele errichtet werden konnte.


Jahrzehntelange faschistische Herrschaft konnte die Erinnerung nicht auslöschen.

Aus aller Welt kamen an diesem denkwürdigen Samstag, dem 22. Oktober 2011, Menschen nach Madrid, um dieser unvergleichlichen Solidarität der Jahre 1936 bis 1939 zu gedenken und das Denkmal einzuweihen.






Trotz dieser langen Zeit kamen noch vier Veteranen (s. obiges Foto) aus Großbritannien (David Lomon), Frankreich (Joseph und Vincent Almudever) und Estland (Erik Ellmann) zur Einweihung, nicht zu vergessen unser Kamerad und Partisan Giulio Cuzzi (s. nachfolgendes Foto) aus Triest, Kämpfer in der 30. jugoslawischen Division und Mitglied der Partisanenorganisation A.N.P.I.



Aber es ist nicht nur bei uns schwer, sich gegen Geschichtsfälschung und Totschweigen durchzusetzen, dies gilt insbesondere auch für Spanien. Hierzu zwei Beispiele: Gegenüber der Telefonica, dem damaligen höchsten Gebäude Madrids




und Sitz der sowjetischen Luftabwehr (nur die Sowjetunion und in geringen Umfang Mexico unterstützte die Spanische Republik mit Waffen) 1936 an der Gran Via, befindet sich ein von Ernest Hemingway während des Bürgerkrieges regelmäßig besuchtes Café (Der Begriff „Bürgerkrieg“ hat sich allgemein eingebürgert. Er war jedoch viel mehr, nämlich u.a. ein Interventionskrieg, ein Krieg der Klassen etc., s. hierzu das Interview mit Dolores Ibarruri S. 11-12 im Buch SPANIENS HIMMEL (ISBN 3-88529-197-6)). Dort war er häufig mit Interbrigadisten zusammen.
Heute benutzt man diese Anwesenheit Hemingways während des Bürgerkrieges im Café mit Hemingwayfotos an den Wänden zur Werbung. Jedoch sucht der Besucher vergeblich Bilder und Hinweise aus der Zeit des Bürgerkrieges. Dieser Verdrängungsprozess ist wohl vergleichbar mit der Zeit in der BRD bis in die siebziger Jahre hinein als über die Naziverbrechen eisig geschwiegen wurde.
Nun, die Gründe für das folgende zweite Beispiel sind wohl eher in den eigenen Reihen zu suchen. Am Abend des 22. Oktober fand im Auditorium der Gewerkschaft CCOO eine Veranstaltung mit Musik und Reden zu Ehren der Interbrigadisten statt. Man war mehr oder weniger unter sich. Unweit des Auditoriums  protestierten zu dem Zeitpunkt tausende junger Menschen  auf der Plaza del Sol gegen die Misere des Kapitalismus. Und das täglich seit Wochen!
Hier wäre der Ort für eine Kundgebung und ein Konzert mehr als ideal gewesen, gerade auch im Hinblick auf das erschreckende Nichtwissen der jungen Menschen über die Zeit des Spanischen Freiheitskampfes.
Wir können die Situation der spanischen Organisationen schwer einschätzen. Es ist sicherlich nicht einfach in diesem postfaschistischen Spanien, mit dem Francozögling Juan Carlos an der Spitze. Deshalb ist diese Kritik auch mehr als Denkansatz für uns alle gedacht.
Unser Ziel sollte immer die Verknüpfung der damaligen Kämpfe mit der Gegenwart sein.
Das ist nicht einfach, gewiss, aber was bleibt uns anderes übrig, wollen wir nicht in einer Museumsschublade landen. Gerade in Zeiten aufkeimender faschistischer Tendenzen in allen Ländern ist der gemeinsame Kampf jener Tage richtungsweisend.
Jedoch, aus unseren Reihen kamen 1936-39 diejenigen, die von Generation zu Generation in Liedern und Geschichten weiterleben. So war es uns natürlich eine Ehre, in Madrid am Grab der „Pasionaria“ (Dolores Ibarruri) und dem Ehrenhain der Interbrigadisten auf dem Friedhof Fuencarral mit geballter Faust die „Internationale“ in vielen Sprachen zu singen. Allen war klar: Der Kampf ist schwer, aber unsere Ideen und Ideale sind unsterblich.









Gedenkstätte der Interbrigaden auf dem Friedhof Fuencarral


Sowjetisches Ehrenmal für die Interbrigaden auf dem Fuencarral


Wir verließen Madrid Richtung des Jaramschlachtfeldes und nach Albacete.


„...dort am Rio Jarama, schlugen wir unsre blutigste Schlacht, doch wir haben auf Tod und Verderben die Faschisten zum stehen gebracht.“

Wem kommt nicht dieses Lied von Ernst Busch in den Sinn, wenn man auf den Höhen über dem Jaramatal steht. Trotz enormer waffentechnischer Überlegenheit schafften es die Faschisten im Februar 1937 nicht, nach Madrid durchzubrechen. Der auf dem nachfolgenden Foto abgebildete Hügel wurde in übermenschlicher Anstrengung durch einen irischen Maschinengewehrschützen der XV. Brigade gehalten. Dieser Gedenkplatz wurde übrigens von Bob Doyle, dem  vor zwei Jahren verstorbenen letzten irischen Freiwilligen, gestiftet. Fundstücke, wie Schrapnells, altes Kochgeschirr usw. umrahmen diesen Platz. Heute wehen wieder unsere Fahnen über dem Jaramatal.




Albacete.

Widerstand konnte  auf Dauer nur durch schnellstmögliche Ausbildung der ins Land strömenden Freiwilligen und bei eiserner Disziplin erfolgreich sein. Im Laufe des Oktober 1936 begann man deshalb, eine Basis der Internationalen Freiwilligen in Albacete und Umgebung aufzubauen. Ausgebildet wurde u.a. in der Stierkampfarena von Albacete. Auf dem Foto die beiden französischen Veteranen Joseph und Vincent Almudever in der Arena.



Die akute Gefahr um Madrid warf natürlich viele Pläne über den Haufen. Nach nur minimalster Ausbildung wurden die ersten Freiwilligen Anfang November 36 an die Madrider Front geworfen.
Man muss das heutige Bemühen vieler in Albacete und Umgebung sehr hoch anerkennen, die damalige Zeit der Interbrigaden lebendig zu halten, wie z.B. im Ort Madrigueras in der Nähe Albacetes.





Straßenschild in Madrigueras.


Pflanzung eines Olivenbaums zur Ehrung der Interbrigaden.


Diese Reise war wieder ein Ansporn, noch mehr für die Erinnerung an unsere deutschen Spanienkämpfer zu tun und die Verknüpfung zur Gegenwart zu erarbeiten.
Aber wir sind uns auch der Problematik bewusst, dass eine Erinnerungsarbeit ohne Bezugnahme zum Klassenkampf nicht die Oberhand gewinnen darf. Der spanische Freiheitskampf war eben nicht nur ein Kampf um bürgerliche Rechte, sondern auch und gerade für unsere Genossen der Interbrigaden ein Klassenkampf. Proletarischer Internationalismus trieb unsere Kämpfer der Arbeiterklasse nach Spanien. Sie kämpften, wie im Hans Beimler-Lied besungen „für das Recht der armen Klassen“ und „unsere Brüder sind Bauer und Prolet!“ heißt es weiter. Es waren in ihrer überwältigenden Mehrheit Kommunisten und Arbeiter, die in den Interbrigaden kämpften, mit Klassenbewusstsein und klarer Vorstellung von einer zukünftigen Gesellschaft. Das sind unsere Wurzeln, der Klassenkampf damals wie heute und ein fester Klassenstandpunkt. Also aufgepasst, dass die „Brigadas Internacionales“ nicht zu einem „Museumsexponat“ werden, leider ist die Gefahr aber sehr groß. Vielleicht auch gewollt?

Dennoch, wohltuend ist es immer wieder, beim Beisammensein mit den Genossen aus allen Ländern zu erfahren, dass die Namen Ernst Thälmann, Edgar André und Hans Beimler rund um den Globus den besten Klang haben und voller Respekt genannt werden. Sie sind unvergänglich.

!NO PASARAN!

Hamburg/Spanien, im November 2011
Bericht: R. Silbermann
Fotos: B. Lubitz