Freitag, 30. September 2011

Wie sich die Bilder gleichen...

Kanzlerin Merkel träumt von "Durchgriffsrechten". Thälmann antwortet: Das ist das Spiegelbild der Klassenkrise des kapitalistischen Systems!

"Irgendwann müsste man über eine neue Verfassung abstimmen, aber so weit sind wir ja noch nicht." Beängstigende Perspektiven sind es, die Kanzlerin Merkel als Gast bei Günther Jauch eröffnete. Als nächste Schritte fordert Merkel aber keine Verfassungsänderung, sondern "nur" weitreichende Eingriffsrechte der Europäischen Union in die nationalen Haushalte der Mitgliedstaaten und phanasiert, „dass da Durchgriffsrechte bestehen, die diese Haushalte für null und nichtig erklären.“ Kapitalsherrschaft ohne jede demokratische Legitimation - heute vielleicht mit Artikel 122 AEUV, vor 80 Jahren mit Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung.


"Ist es eine besondere Stärke der deutschen Bourgeoisie, die sie antreibt, das demokratisch-parlamentarische Mäntelchen ihrer bisherigen Regierungsmethoden fallen zu lassen und unter Durchbrechung ihrer eigenen Gesetze zu faschistischen Herrschaftsmethoden überzugehen?" Das fragte Ernst Thälmann 1930. Seine Antwort: "Das Gegenteil trifft zu. Auf der heutigen Stufe der Entwicklung, im Angesicht der gewaltig wachsenden Krise der kapitalistischen Wirtschaft, vor die Tatsache des immer neuen Lochs in den Staatsfinanzen gestellt, bei dauerndem Rückgang der Produktion, bei wachsenden Millionenzahlen der Arbeitslosen und Kurzarbeiter, beginnt die heranreifende Wirtschaftskrise immer stärker in die politische Krise des kapitalistischen Systems umzuschlagen.
Schon wachsen in den breitesten Massen die Gärung, die Unzufriedenheit, die Rebellion gegen die alten Methoden der kapitalistischen Regierungskünste, schon bricht sich der dumpfe Wille der Massen Bahn, aus dem Elend der kapitalistischen Anarchie irgend einen Ausweg zu suchen und zu erzwingen. Schon wütet die Krise in allen alten bürgerlichen Parteien, deren werktätige Anhängerschaft - wie die Sachsenwahlen deutlich bezeugten - ihrer bisherigen politischen Führung die Gefolgschaft aufkündigt.
Die Krise des Parlamentarismus, die Unfähigkeit der bürgerlichen Parteien, den Differenzierungsprozeß im Lager der Bourgeoisie länger zu vertuschen und zu überbrücken, entspringt gewiß nicht dem Umstand, daß die pfäffischen Jesuiten an der Spitze der führenden Regierungspartei, des Zentrums, die Geschäfte des parlamentarischen Kuhhandels, der Kulissenschiebungen nicht geschickt genug zu handhaben vermocht hätten. Nein, die parlamentarische Krise der Republik, die zur Reichstagsauflösung führte, ist nur ein Spiegelbild der Klassenkrise des kapitalistischen Systems.
Unter den Schlägen der Wirtschaftskrise wankt das ganze morsche System der kapitalistischen Stabilisierung. Mit den Schwierigkeiten des amerikanischen Dollarkapitalismus wachsen die imperialistischen Gegensätze, spitzt sich fieberhafter als je zuvor der Wettkampf um die Märkte der Welt zu, wächst mit ungeheurer Schnelligkeit die Kriegsgefahr. Das kapitalistische Deutschland, noch immer durch die Ketten des Versailler Vertrages, durch die Reparationslasten auf Grund des räuberischen Youngplans eingeengt, macht verzweifelte Anstrengungen, um den bedrohten Profit der Ausbeuter, der Industriekapitäne, Bankiers und Börsenspekulanten, trotz aller Schwierigkeiten, zu sichern, um noch einmal einen kapitalistischen Ausweg aus der Krise zu erzwingen.
Wie sieht dieser 'Ausweg', diese 'Lösung' nach dem Rezept der regierenden Kapitalisten aus?
Millionen Erwerbslose hungern. Täglich gibt es neue Massenentlassungen, die die Zahl der Erwerbslosen weiter anschwellen lassen. Das Rezept der Kapitalisten befiehlt diesen Arbeitslosen, noch mehr als bisher zu hungern!
Das Elend der Beamten und Angestellten hat längst ungeheuerliche Formen angenommen. Das Rezept der Kapitalisten besteht darin, den Darbenden ein 'Notopfer' aufzuerlegen, von dem nur eine kleine Schicht ausgenommen wird: diejenigen, die prassen und im Überfluß leben, die Millionäre, die Kapitalisten, die Aufsichtsräte und Dividendenschlucker!
Die Not der werktätigen Bauern, der wirklichen Opfer der Agrarkrise, das Elend der Handwerker und Kleingewerbetreibenden, der vom Kapitalisten entwurzelten und proletarisierten Mittelständler ist unbeschreiblich. Das Rezept der Kapitalisten 'hilft' diesen Schichten mit neuen Steuern, mit der Kopfsteuer, der 'Negersteuer' [Bezeichnung für die sogenannte Bürgersteuer, eine Kopfsteuer, die von der Brüning-Regierung mit der Notverordnung vom 26. Juli 1930 eingeführt wurde. Diese Bezeichnung entstammt der Kolonialpraxis der Imperialisten, die den Teil der eingeborenen Bevölkerung, dessen Einkommen nicht faßbar und dessen Verbrauch nicht kontrollierbar ist, nach Köpfen besteuerte. Die „Negersteuer” war ein Mittel zur verstärkten Ausplünderung der werktätigen Massen.], die SPD-Hilferding erdachte, Nazi-Frick als erster in die Tat umsetzte und die nun der Bürgerblock als ein Glanzstück seines Finanzprogramms mit dem § 48 'verordnete'!
Steuern, Zölle, Massenbelastungen, Abbau der Sozialaufwendungen, schmutzige, verbrecherische Anschläge auf die Krankenversicherung und zugleich der Lohnraubzug des Unternehmertums, dem der kapitalistische Staatsapparat mit all seinen Machtmitteln zu Hilfe eilt - das ist das Bild des kapitalistischen 'Auswegs', der aus der Krise, aus dem Zusammenbruch, aus der Katastrophe herausführen soll!"

Tatsächlich endete dieser Ausweg in der größten Menschheitskatastophe. Wehret den Anfängen!