Vorweg: Antifaschistischer Kampf war und ist immer Kampf gegen Krieg und kapitalistische Ausbeutung. Somit war und ist Kampf gegen Faschismus selbstverständlich auch Klassenkampf. Unterschiedliche Ansichten gab es lediglich über den Weg zur Überwindung der Klassengesellschaft, nicht aber über die Abschaffung der selbigen. Faschismus war das leibliche Erleben von Unterdrückung und Barbarei, das brutale Instrument zur Zementierung der bestehenden Ausbeutungsverhältnisse unter Zuhilfenahme des Staatsapparates sowie die hemmungslose Kriegsvorbereitung durch maßlos betriebene Aufrüstung.
Der
wesentliche Anteil am Kampf gegen den Faschismus wurde durch die sogenannten „kleinen
Leute“ getragen, also größtenteils durch die Arbeiter in den Fabriken und in
den Arbeiterwohnvierteln der Städte. Dieser Fakt wird heute meist nur als
Randnotiz betrachtet und kaum gewürdigt.
Wir,
die Teilnehmer an den Hafentagen, wollten das nicht hinnehmen.
„Antimilitaristischer
Kampf - damals und heute“,
so
lautete das Motto der Antifaschistischen Hafentage. Der Kampf der
Werftarbeiter, die Entlarvung der bürgerlichen These Faschismus gleich
Sozialismus und das exemplarische Beispiel des Hamburger Spanien-Kämpfers
Erich „Vatti“ Hoffmann, sein Kampf für eine sozialistische und damit
humanistische Gesellschaft, standen u.a. im Mittelpunkt dieses Wochenendes.
Der Freitagabend galt der Freundschaft und Solidarität mit unseren aus England, Irland, Schottland, Wales, Österreich, Frankreich, Spanien und Schweden angereisten Kameradinnen und Kameraden. Der Abend fand eine musikalische Umrahmung durch den Auftritt unseres Pascals aus Paris und der Gruppe Sokugayu, die mit einem Programm zum Gedenken an den vor 80 Jahren von den Faschisten ermordeten Dichter Erich Mühsam auftrat.
Eröffnet
wurde die Veranstaltung mit dem Verlesen des Grußwortes unseres Spanienkämpfers
Gert Hoffmann aus Wien. Leider ist Gert wenige Wochen später verstorben. Gert‘s
letzteWorte an uns alle waren: „...Es lebe die internationale Solidarität aller
Völker, die Opfer der kapitalistischen Profitwirtschaft geworden sind! Es lebe
unsere brüderliche Freundschaft mit den Völkern Griechenlands, Italiens,
Portugals, Irlands und Spaniens, die alle im Kampf stehen gegen die Hungerpolitik
ihrer Regierungen.“ – Gert, wir werden deinen Kampf weiterführen!
Die
Veranstaltung im Seemannsheim war „offen“, d.h. sie fand im Bar-Raum des
Seemannsheims am Hafen statt und war für jedermann zugänglich. So befanden sich
dort auch Menschen, die keinerlei Berührungspunktemit uns hatten, aber sehr
interessiert und begeistert zuhörten.
Den
Samstag nutzten viele, um am Vormittag die Gedenkstätte Ernst Thälmann (GET) am
Thälmann-Platz in Hamburg zu besuchen. Der Vorsitzende, Hein Pfohlmann, führte
sie durch die Ausstellung und erläuterte danach auf einem Rundgang rund um das
Wohnhaus Ernst Thälmanns die revolutionären Brennpunkte. Die Gruppe ging mit
der wehenden Fahne der Interbrigaden in der Hand, was einige Passanten zum
Nachfragen nach dem Anlass anregte.
Die
Gäste versuchten, die Fülle an Dokumenten zu erfassen, die die Gedenkstätte mit
ihrem angeschlossenen großen Archiv bietet. Es sei bemerkt, dass die Hamburger
Genossinnen und Genossen unentwegt und natürlich ehrenamtlich für die Erhaltung
dieses einmaligen Kleinods der deutschen Arbeiterbewegung kämpfen. Die Gedenkstätte
erhält keine staatliche Unterstützung, sie ist ständigen Anfeindungen und Geschichtsfälschungen
ausgesetzt.
Als
Beispiel sei das oft falsch dargestellte Verhältnis Ernst Thälmannszu den
sozialdemokratischen Genossen genannt. So findet man in der GET einen Aufruf
der illegalen Hamburger SPD aus Altona, Barmbek und Bergedorf, verfasst Ende
1933, in dem es über Ernst Thälmann heißt:
„...Thälmann
war kein Putschist, kein Anhänger des individuellen Terrors, sondern ein
Sozialist, dem es auf geistige Auseinandersetzungen ankam. Wir haben es immer
und sehnlichst von ganzem Herzen gewünscht, dass die von ihm verkündeten Worte
für die Schaffung einheitlicher sozialistischer Aktionen Leben und Wirklichkeit
geworden wären.“ Man möchte meinen, dass nach dem Kriege diese Erkenntnis in
Gewerkschafts- und sozialdemokratischen Kreisen zur allgemeinen Erkenntnis
gereift wären. Aber leider weit gefehlt, wie angelehnt daran eine
ungeheuerliche Geschichte von 1970 zeigt, die eines der Themen der Hafentage
wurde.
Zur
Erläuterung: auf dem Werftgelände wurde 1945 eine Gedenktafel für 11 von den
Faschisten ermordete Arbeiter angebracht. Im Jahre 1970 verschwand diese Tafel.
Ein Ersuchen der Hamburger Verfolgten-Organisationen an den Betriebsrat von
Blohm & Voss, eine neue Tafel aufzustellen, wurde vom Betriebsrat mit der
Begründung: dass solch eine Tafel keine würdige Ehrung darstellt und man bei
gegebenen Anlässen an den großen Mahnmälern gedenke solle, abgelehnt.
Diese
Entscheidung wurde für die Widerstandskämpfer in den Verfolgten-Organisationen
als ein Akt gegen den deutschen Widerstand betrachtet. Bis heute existiert
keine offizielle Erinnerungstafel auf der Werft!
Für
die Arbeiter der Werften und Hafenbetriebe galt er alte Hamburger Elbtunnel als
Anmarschweg zur Arbeit, denn auf der anderen Elbseite war man dann praktisch
vor den Werkstoren der Firma Blohm &Voss.Diesen Weg gingen die Teilnehmer
der Hafentage, um dort der ermordeten Antifaschisten zu gedenken. Ein
schottischer Genosse trug die Interbrigadenfahne vorweg.
Nun
hatten aber junge Antifaschisten zur Überraschung aller, eine Erinnerungstafel
erstellt und installierten sie während unseres Gedenkvortrages auf der
Aussichtsplattform am alten Elbtunnel.
Es
war ein bewegender Moment, als dort Blumen niedergelegt wurden und spontan das
Lied der Moorsoldaten in verschiedenen Sprachen angestimmt wurde.
Auf
der anschließenden Hafenrundfahrt hörten die Teilnehmer eine ausführliche Schilderung
des Widerstandes auf der Werft Blohm & Voss (übrigens wurden alle Referate
auf den Hafentagen zweisprachig gehalten). Kurz einige wesentliche
Gesichtspunkte aus dem Referat:
„Sofort
nach der Machtübergabe an die Faschisten begannen die kommunistischen
Werftangehörigen mit der Widerstandsarbeit (der überwiegend sozialdemokratische
Teil der Belegschaft verhielt sich abwartend). Die Widerstandsarbeit bestand im
Wesentlichen in der Erstellung von Flugblättern, Betriebszeitungen und dem
Sammeln von Informationen. Widerstandsarbeit bestand auch in organisierter
Sabotage, so z.B. im Bereich der Schweißarbeiten. Diese Arbeit konnte nicht so
ohne weiteres geprüft werden. Sehr effektiv wurde im Konstruktionsbüro Sabotage
verübt. Fehlerhafte Zeichnungen wurden angefertigt und/oder
Ersatzteillieferungen an falsche Empfängerorte geschickt.
So
konnte z.B. auch das 2-Mann U-Boot von den Nazis nie eingesetzt werden, da die
Ingenieure und Konstrukteure viele Fehler eingebaut hatten. Der Widerstand war
natürlich nicht ungefährlich. Viele Aktivisten wurden aufgedeckt, verhaftet,
gefoltert und eingekerkert. Es gelang den Nazis jedoch nicht, die
antifaschistische Grundeinstellung der Werftarbeiter zu brechen. Berichten der
Gestapo zufolge waren 70% der Belegschaft nazifeindlich eingestellt.
Ein
interessanter Punkt war die Einstellung der Arbeiter zum Krieg. Man hoffte auf
einen Krieg, der dem Hitlerregime endlich den Garaus macht. Unter diesem
Gesichtspunkt, Krieg gegen die Faschisten, wurde von vielen der spanische Krieg
gesehen. Man hoffte sehnlichst auf einen Sieg der Republik und unterstützte
diese mit heimlichen Sammlungen und Aktivitäten. So berichtete Walter Ulbricht
1939 in Moskau über eine Unterstützergruppe in Hamburg, die regelmäßig Informationen
über Nazitransporte nach Franco-Spanien sammelt und dadurch die Auslandspresse
diese Lieferungen aufdecken konnte.
Nach der sehr lehrreichen Hafenrundfahrt, die viele Gäste
nutzten, legte die Barkasse unweit des Internationalen Seemannsclubs DUCKDALBEN
an. Dort wurden die Hafentage mit einer beeindruckenden Präsentation von jungen
Antifaschistinnen und Antifaschisten zum antimilitaristische Kampf und ihren
Aktivitäten gegen die Kriegspolitik der BRD und der EU fortgesetzt. Allen Repressionsmaßnahmen
zum Trotz kämpfen sie mit Kreativität und Mut gegen die zunehmende Militarisierung
und die Verharmlosung von Kriegen in diesem Deutschland.
Als
Gastredner konnten wir den ehemaligen ITF-Präsidenten Eike Eulen begrüßen, der
in seiner Rede insbesondere den antifaschistischen Kampf von Edo Fimmen würdigte.
Edo Fimmen war Generalsekretär und ein herausragender Aktivist der Internationalen
Transportarbeiter Föderation der 20er und 30er Jahre im Kampf
gegen den Faschismus. So organisierte er u.a. illegale Waffentransporte an die
spanische Republik.
Manus O´Riordan, unser Dubliner Kamerad, sang
mit seiner wunderbaren Stimme das Lied der Seeleute „Ship for Spain“: “I had a
ship, the captain said, A ship that sailed for Spain, And when I get another
ship I`ll sail there once again“. Das
Lied ist 1938 entstanden im Unterstützerkampf der britischen Seeleute für die
Spanische Republik. Den Abend schlossen unsere Gesangsgenossen Pascal Gabay und
Achim Bigus mit Liedern aus dem spanischen Freiheitskampf in deutscher und
französischer Sprache.
Das
Programm am Sonntag widerlegt einmal mehr die Abartigkeit der These „Faschismus
gleich Sozialismus“.
Zur
Erläuterung: In Hamburg gibt es eine Gedenkstätte für von den Nazibestien in
einer Schule ermordete Kinder – „Die Kinder vom Bullenhuser Damm“. Die Gedenkstätte
und Ausstellung, die im Keller der Schule untergebracht ist, in der die Kinder an
Heizungsrohren erhängt wurden, erschütterte die Teilnehmer zutiefst. Ja, viele
hatten Tränen in den Augen, als sie die Gedenkstätte verließen und zum
angrenzenden internationalen Erinnerungsgarten gingen. Dort fand die Enkelin
von Ernst Thälmann, Vera Dehle-Thälmann, nur schwerWorte, um der Kindern und der
dort ermordeten sowjetischen Zwangsarbeiter zu gedenken. Vera ist aktive Vorsitzende
der Lagergemeinschaft Ravensbrück.
Noch
benommen von den Eindrücken, erwartete uns in der Willi-Bredel-Gesellschaft ein
Vortrag über den Spanienkämpfer Erich Hoffmann, genannt „Vatti“;vorgetragen von
Thomas Mayer.
Der
Vortrag machte durch die Schilderung des Lebens von Erich Hoffmann deutlich,
dass die Kämpfer der Interbrigaden eine zutiefst humanistische Gesinnung hatten
und das eigene Leben für Andere einsetzten. Der Leidensweg Erich Hoffmanns – des
Kommunisten, der von den Nazis gefoltert und im Spanischen Bürgerkrieg schwer
verwundet wurde – führte ihn nach Auschwitz. Dort gelang es seiner
Widerstandsgruppe1944, ungarische Kinder vor der Ermordung durch die SS zu
retten. Sie brachten sie von Auschwitz auf dem Todesmarsch nach Buchenwald. Der
11. April 1945, der Tag der Selbstbefreiung des Konzentrationslagers
Buchenwald, war auch der Tag der Befreiung für „Vatti“. Das schönste für ihn
war, dass von den Kindern etwa 150 diesen Tag erleben konnten. Erich Hoffmann
starb am 14.2.59 im Alter von 53 Jahren. Er ist im Ehrenhain Hamburger Widerstandskämpfer
beigesetzt.
In
diesem Ehrenhain fanden die Hafentage ihren würdigen Abschluss. Wir schmückten
die Gräber mit roten Nelken und unsere Liedermacher und Sänger Peter Schenzer
und Dirk Wilke stimmten internationale Widerstandslieder an, die wir in
verschiedenen Sprachen mitsangen.
Die
nächsten Hafentage stehen im Zeichen des 70. Jahrestages der Befreiung vom
Faschismus.
Im
Mittelpunkt werden die Sowjetunion und ihre Hilfe für die Spanische Republik
stehen.
Initiative
Antifaschistische Hafentage Hamburg „Wolf Hoffmann“
Hamburg,
Juni 2014