Sonntag, 21. September 2014

4. Antifaschistischen Hafentage „Wolf Hoffmann“, 30.5.-1.6.2014 in Hamburg


Vorweg: Antifaschistischer Kampf war und ist immer Kampf gegen Krieg und kapitalistische Ausbeutung. Somit war und ist Kampf gegen Faschismus selbstverständlich auch Klassenkampf. Unterschiedliche Ansichten gab es lediglich über den Weg zur Überwindung der Klassengesellschaft, nicht aber über die Abschaffung der selbigen. Faschismus war das leibliche Erleben von Unterdrückung und Barbarei, das brutale Instrument zur Zementierung der bestehenden Ausbeutungsverhältnisse unter Zuhilfenahme des Staatsapparates sowie die hemmungslose Kriegsvorbereitung durch maßlos betriebene Aufrüstung.
Der wesentliche Anteil am Kampf gegen den Faschismus wurde durch die sogenannten „kleinen Leute“ getragen, also größtenteils durch die Arbeiter in den Fabriken und in den Arbeiterwohnvierteln der Städte. Dieser Fakt wird heute meist nur als Randnotiz betrachtet und kaum gewürdigt.
Wir, die Teilnehmer an den Hafentagen, wollten das nicht hinnehmen.

„Antimilitaristischer Kampf - damals und heute“,

so lautete das Motto der Antifaschistischen Hafentage. Der Kampf der Werftarbeiter, die Entlarvung der bürgerlichen These Faschismus gleich Sozialismus und das exemplarische Beispiel des Hamburger Spanien-Kämpfers Erich „Vatti“ Hoffmann, sein Kampf für eine sozialistische und damit humanistische Gesellschaft, standen u.a. im Mittelpunkt dieses Wochenendes.




Der Freitagabend galt der Freundschaft und Solidarität mit unseren aus England, Irland, Schottland, Wales, Österreich, Frankreich, Spanien und Schweden angereisten Kameradinnen und Kameraden. Der Abend fand eine musikalische Umrahmung durch den Auftritt unseres Pascals aus Paris und der Gruppe Sokugayu, die mit einem Programm zum Gedenken an den vor 80 Jahren von den Faschisten ermordeten Dichter Erich Mühsam auftrat.
Eröffnet wurde die Veranstaltung mit dem Verlesen des Grußwortes unseres Spanienkämpfers Gert Hoffmann aus Wien. Leider ist Gert wenige Wochen später verstorben. Gert‘s letzteWorte an uns alle waren: „...Es lebe die internationale Solidarität aller Völker, die Opfer der kapitalistischen Profitwirtschaft geworden sind! Es lebe unsere brüderliche Freundschaft mit den Völkern Griechenlands, Italiens, Portugals, Irlands und Spaniens, die alle im Kampf stehen gegen die Hungerpolitik ihrer Regierungen.“ – Gert, wir werden deinen Kampf weiterführen!
Die Veranstaltung im Seemannsheim war „offen“, d.h. sie fand im Bar-Raum des Seemannsheims am Hafen statt und war für jedermann zugänglich. So befanden sich dort auch Menschen, die keinerlei Berührungspunktemit uns hatten, aber sehr interessiert und begeistert zuhörten.
Den Samstag nutzten viele, um am Vormittag die Gedenkstätte Ernst Thälmann (GET) am Thälmann-Platz in Hamburg zu besuchen. Der Vorsitzende, Hein Pfohlmann, führte sie durch die Ausstellung und erläuterte danach auf einem Rundgang rund um das Wohnhaus Ernst Thälmanns die revolutionären Brennpunkte. Die Gruppe ging mit der wehenden Fahne der Interbrigaden in der Hand, was einige Passanten zum Nachfragen nach dem Anlass anregte.
Die Gäste versuchten, die Fülle an Dokumenten zu erfassen, die die Gedenkstätte mit ihrem angeschlossenen großen Archiv bietet. Es sei bemerkt, dass die Hamburger Genossinnen und Genossen unentwegt und natürlich ehrenamtlich für die Erhaltung dieses einmaligen Kleinods der deutschen Arbeiterbewegung kämpfen. Die Gedenkstätte erhält keine staatliche Unterstützung, sie ist ständigen Anfeindungen und Geschichtsfälschungen ausgesetzt.
Als Beispiel sei das oft falsch dargestellte Verhältnis Ernst Thälmannszu den sozialdemokratischen Genossen genannt. So findet man in der GET einen Aufruf der illegalen Hamburger SPD aus Altona, Barmbek und Bergedorf, verfasst Ende 1933, in dem es über Ernst Thälmann heißt:
„...Thälmann war kein Putschist, kein Anhänger des individuellen Terrors, sondern ein Sozialist, dem es auf geistige Auseinandersetzungen ankam. Wir haben es immer und sehnlichst von ganzem Herzen gewünscht, dass die von ihm verkündeten Worte für die Schaffung einheitlicher sozialistischer Aktionen Leben und Wirklichkeit geworden wären.“ Man möchte meinen, dass nach dem Kriege diese Erkenntnis in Gewerkschafts- und sozialdemokratischen Kreisen zur allgemeinen Erkenntnis gereift wären. Aber leider weit gefehlt, wie angelehnt daran eine ungeheuerliche Geschichte von 1970 zeigt, die eines der Themen der Hafentage wurde.
Zur Erläuterung: auf dem Werftgelände wurde 1945 eine Gedenktafel für 11 von den Faschisten ermordete Arbeiter angebracht. Im Jahre 1970 verschwand diese Tafel. Ein Ersuchen der Hamburger Verfolgten-Organisationen an den Betriebsrat von Blohm & Voss, eine neue Tafel aufzustellen, wurde vom Betriebsrat mit der Begründung: dass solch eine Tafel keine würdige Ehrung darstellt und man bei gegebenen Anlässen an den großen Mahnmälern gedenke solle, abgelehnt.
Diese Entscheidung wurde für die Widerstandskämpfer in den Verfolgten-Organisationen als ein Akt gegen den deutschen Widerstand betrachtet. Bis heute existiert keine offizielle Erinnerungstafel auf der Werft!
Für die Arbeiter der Werften und Hafenbetriebe galt er alte Hamburger Elbtunnel als Anmarschweg zur Arbeit, denn auf der anderen Elbseite war man dann praktisch vor den Werkstoren der Firma Blohm &Voss.Diesen Weg gingen die Teilnehmer der Hafentage, um dort der ermordeten Antifaschisten zu gedenken. Ein schottischer Genosse trug die Interbrigadenfahne vorweg.


Nun hatten aber junge Antifaschisten zur Überraschung aller, eine Erinnerungstafel erstellt und installierten sie während unseres Gedenkvortrages auf der Aussichtsplattform am alten Elbtunnel.
Es war ein bewegender Moment, als dort Blumen niedergelegt wurden und spontan das Lied der Moorsoldaten in verschiedenen Sprachen angestimmt wurde.
Auf der anschließenden Hafenrundfahrt hörten die Teilnehmer eine ausführliche Schilderung des Widerstandes auf der Werft Blohm & Voss (übrigens wurden alle Referate auf den Hafentagen zweisprachig gehalten). Kurz einige wesentliche Gesichtspunkte aus dem Referat:
„Sofort nach der Machtübergabe an die Faschisten begannen die kommunistischen Werftangehörigen mit der Widerstandsarbeit (der überwiegend sozialdemokratische Teil der Belegschaft verhielt sich abwartend). Die Widerstandsarbeit bestand im Wesentlichen in der Erstellung von Flugblättern, Betriebszeitungen und dem Sammeln von Informationen. Widerstandsarbeit bestand auch in organisierter Sabotage, so z.B. im Bereich der Schweißarbeiten. Diese Arbeit konnte nicht so ohne weiteres geprüft werden. Sehr effektiv wurde im Konstruktionsbüro Sabotage verübt. Fehlerhafte Zeichnungen wurden angefertigt und/oder Ersatzteillieferungen an falsche Empfängerorte geschickt.
So konnte z.B. auch das 2-Mann U-Boot von den Nazis nie eingesetzt werden, da die Ingenieure und Konstrukteure viele Fehler eingebaut hatten. Der Widerstand war natürlich nicht ungefährlich. Viele Aktivisten wurden aufgedeckt, verhaftet, gefoltert und eingekerkert. Es gelang den Nazis jedoch nicht, die antifaschistische Grundeinstellung der Werftarbeiter zu brechen. Berichten der Gestapo zufolge waren 70% der Belegschaft nazifeindlich eingestellt.
Ein interessanter Punkt war die Einstellung der Arbeiter zum Krieg. Man hoffte auf einen Krieg, der dem Hitlerregime endlich den Garaus macht. Unter diesem Gesichtspunkt, Krieg gegen die Faschisten, wurde von vielen der spanische Krieg gesehen. Man hoffte sehnlichst auf einen Sieg der Republik und unterstützte diese mit heimlichen Sammlungen und Aktivitäten. So berichtete Walter Ulbricht 1939 in Moskau über eine Unterstützergruppe in Hamburg, die regelmäßig Informationen über Nazitransporte nach Franco-Spanien sammelt und dadurch die Auslandspresse diese Lieferungen aufdecken konnte.
Nach der sehr lehrreichen Hafenrundfahrt, die viele Gäste nutzten, legte die Barkasse unweit des Internationalen Seemannsclubs DUCKDALBEN an. Dort wurden die Hafentage mit einer beeindruckenden Präsentation von jungen Antifaschistinnen und Antifaschisten zum antimilitaristische Kampf und ihren Aktivitäten gegen die Kriegspolitik der BRD und der EU fortgesetzt. Allen Repressionsmaßnahmen zum Trotz kämpfen sie mit Kreativität und Mut gegen die zunehmende Militarisierung und die Verharmlosung von Kriegen in diesem Deutschland.
Als Gastredner konnten wir den ehemaligen ITF-Präsidenten Eike Eulen begrüßen, der in seiner Rede insbesondere den antifaschistischen Kampf von Edo Fimmen würdigte. Edo Fimmen war Generalsekretär und ein herausragender Aktivist der Internationalen Transportarbeiter Föderation der 20er und 30er Jahre im Kampf gegen den Faschismus. So organisierte er u.a. illegale Waffentransporte an die spanische Republik.
Manus O´Riordan, unser Dubliner Kamerad, sang mit seiner wunderbaren Stimme das Lied der Seeleute „Ship for Spain“: “I had a ship, the captain said, A ship that sailed for Spain, And when I get another ship I`ll sail there once again“. Das Lied ist 1938 entstanden im Unterstützerkampf der britischen Seeleute für die Spanische Republik. Den Abend schlossen unsere Gesangsgenossen Pascal Gabay und Achim Bigus mit Liedern aus dem spanischen Freiheitskampf in deutscher und französischer Sprache.


Das Programm am Sonntag widerlegt einmal mehr die Abartigkeit der These „Faschismus gleich Sozialismus“.
Zur Erläuterung: In Hamburg gibt es eine Gedenkstätte für von den Nazibestien in einer Schule ermordete Kinder – „Die Kinder vom Bullenhuser Damm“. Die Gedenkstätte und Ausstellung, die im Keller der Schule untergebracht ist, in der die Kinder an Heizungsrohren erhängt wurden, erschütterte die Teilnehmer zutiefst. Ja, viele hatten Tränen in den Augen, als sie die Gedenkstätte verließen und zum angrenzenden internationalen Erinnerungsgarten gingen. Dort fand die Enkelin von Ernst Thälmann, Vera Dehle-Thälmann, nur schwerWorte, um der Kindern und der dort ermordeten sowjetischen Zwangsarbeiter zu gedenken. Vera ist aktive Vorsitzende der Lagergemeinschaft Ravensbrück.
Noch benommen von den Eindrücken, erwartete uns in der Willi-Bredel-Gesellschaft ein Vortrag über den Spanienkämpfer Erich Hoffmann, genannt „Vatti“;vorgetragen von Thomas Mayer.
Der Vortrag machte durch die Schilderung des Lebens von Erich Hoffmann deutlich, dass die Kämpfer der Interbrigaden eine zutiefst humanistische Gesinnung hatten und das eigene Leben für Andere einsetzten. Der Leidensweg Erich Hoffmanns – des Kommunisten, der von den Nazis gefoltert und im Spanischen Bürgerkrieg schwer verwundet wurde – führte ihn nach Auschwitz. Dort gelang es seiner Widerstandsgruppe1944, ungarische Kinder vor der Ermordung durch die SS zu retten. Sie brachten sie von Auschwitz auf dem Todesmarsch nach Buchenwald. Der 11. April 1945, der Tag der Selbstbefreiung des Konzentrationslagers Buchenwald, war auch der Tag der Befreiung für „Vatti“. Das schönste für ihn war, dass von den Kindern etwa 150 diesen Tag erleben konnten. Erich Hoffmann starb am 14.2.59 im Alter von 53 Jahren. Er ist im Ehrenhain Hamburger Widerstandskämpfer beigesetzt.
In diesem Ehrenhain fanden die Hafentage ihren würdigen Abschluss. Wir schmückten die Gräber mit roten Nelken und unsere Liedermacher und Sänger Peter Schenzer und Dirk Wilke stimmten internationale Widerstandslieder an, die wir in verschiedenen Sprachen mitsangen.


Die nächsten Hafentage stehen im Zeichen des 70. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus.
Im Mittelpunkt werden die Sowjetunion und ihre Hilfe für die Spanische Republik stehen.

Initiative Antifaschistische Hafentage Hamburg „Wolf Hoffmann“
Hamburg, Juni 2014